Das Urteil zum Verstehen

Februar 24, 2015

all-inclusive-Wohnen

Große Aufmerksamkeit in den Medien hat das Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) gebracht, „Landunter für Vermieter“ betiteln Referenten ihre aktuellen Seminare.

Die Gültigkeit des Mietrechtes lässt sich -vereinfacht ausgedrückt- in drei Anwendungsbereiche unterteilen:

  • Vollanwendungsbereich
  • Teilausnahmen
  • Vollausnahmen

 

Tatsache ist, dass sich das bestehende Urteil mit einer Teilausnahme, genauer gesagt: mit einer Vorsorgewohnung beschäftigt.

Es steht in diesem Zusammenhang auch fest, dass es derzeit ein zweites Verfahren, ebenfalls durch die Arbeiterkammer angestrengt, gibt, in dem, wenn der Oberste Gerichtshof ein Urteil fällt, Richtung weisende Dinge für den Vollanwendungsbereich des Mietrechts zu erwarten sind.

Es ist daher die grundsätzliche Empfehlung zu geben, aus heutiger Sicht (11.2.2007) den Wortlaut des zweiten Urteils abzuwarten.

Zum Urteil 7OB78/06F hat der OGH dem Hausverwalter untersagt, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zahlreiche Klauseln in dem von diesem Verwalter selbst entworfenen Mustermietvertrag zu verwenden.

Diese Erkenntnis hat sicher weitreichende Auswirkungen auf zahlreiche Musterverträge, die dringend überarbeitet werden müssen.

Fest steht jedenfalls, dass die zwingenden Normen des MRG bzw. des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) und die Missachtung des ABGB in den Verträgen einiger Vermieter große Auswüchse genommen haben, den Mietern möglichst wenig Rechte einzuräumen und gleichzeitig möglichst viele Pflichten aufzubürden. Dieser Tendenz hat der OGH nun eine spektakuläre Absage erteilt.

In den Medien ist von 39 Klauseln zu lesen, welche gemäß Urteil des OGH unwirksam sind.

Ich erlaube mir, anhand von zwei etwas detaillierteren Beispielen zu erklären, warum es zu diesem Urteil gekommen ist.

Vorauszuschicken ist, dass hier der Hausverwalter selbstgestrickte Formulare verwendet hat, welche objektiv und bei genauerer Betrachtung tatsächlich den Eindruck hinterlassen, dass sie ein wenig mieterunfreundlich formuliert sind.


So findet sich z.B. unter der Klausel 21:

Der Vermieter wird nach schriftlicher Bekanntgabe der Störung die Maßnahmen zur Beseitigung der Störung einleiten.

Die Klägerin (Arbeiterkammer) machte geltend, dass diese Klausel die Erhaltungspflicht einschränkt und weiters den Mieter grob benachteiligt.

Praktisch bleibt, dass bei strenger Auslegung obiger Formulierung, dass, wenn der Mieter z.B. einen Brand in seiner Wohnung melden möchte, von der Bearbeiterin der Hausverwaltung mit den Worten: „Bitte teilen Sie uns das schriftlich mit“ zurückgewiesen wird.

Das hier Handlungsbedarf besteht, ist nahezu unübersehbar.

Ein weiteres Beispiel:


Zu Klausel 28:

Hier hat der Vermieter folgende Formulierung verwendet:

Der Vermieter und die von ihm beauftragten Personen sind berechtigt, den Mietgegenstand gegen Vorankündigung zu besichtigen.

Das erkennende Gericht hat bei strenger Auslegung dieser Formulierung richtig gehandelt, indem dieser Passus im Sinne des KschG gestrichen wurde. Es wäre dem Vermieter jederzeit möglich gewesen, den Zutritt zum Mietobjekt zu begehren, auch um Mitternacht oder drei Uhr früh.

Dass das Gericht hier entscheiden musste, dass diese Formulierung SO nicht gelten kann, liegt auf der Hand.

Es haben sich daher im Prozess insgesamt 39 Positionen ergeben, die unter oben angeführten Licht diskutiert bzw. judiziert wurden. Übrig geblieben ist ein Urteil, welches viele Fragen nicht beantwortet.


Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist jedenfalls zu empfehlen, das weitere Urteil (ist für März/April 2007 angekündigt) abzuwarten.

In diesem Urteil wird eine Wohnung, welche im Vollanwendungsbereich des Mietrechts liegt, rechtlich vom Obersten Gerichtshof behandelt. (Anm: die meisten Wohnungen, klassische Altbauzinshäuser, liegen rechtlich im Vollanwendungsbereich des Mietrechtgesetzes)

Die Fragen, mit denen sich der Einsersenat zu beschäftigen hat, sind -kurz zusammengefasst- drei:

  • Die Überwälzung der Erhaltungspflicht nach §1096 ABGB
  • In wie weit der Mieter Eingriffe erdulden muss.
  • Die Zustimmung des Mieters zur erhöhten Versicherungen.

 

Die meiste Dynamik erwartet man sich vom Urteil bezüglich Überwälzung der Erhaltungspflicht. Ich kann jedenfalls nur den gut gemeinten Tipp geben, den Ausführungen verschiedenster Tageszeitungen im Moment noch nicht Folge zu leisten und ohne Wenn und Aber zu frohlocken, dass der Vermieter auf jeden Fall die Kosten des Thermenaustauschs zurück erstatten muss.


Zum besseren Verständnis seien noch einige Highlights der untersagten Klausel aufgelistet:

Klausel, die dem Mieter eine ihm nicht gesetzlich treffende Beweislast aufbürdet. (Eine Tatsachenbestätigung über den Zustand des Mietobjektes)

Ausschluss der Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen des Unternehmens oder seines Vertreters (Stichwort: es bedarf der schriftlichen Zustimmung des Vermieters)

Erweiterung der Tatbestände gemäß § 1118 ABGB (Das heißt: die Nutzung zu allem anderen als zu Wohnzwecken ermächtigt den Vermieter NICHT zur Auflösung des Vertrags.)

Ausschluss des Rücktrittsrechts oder des Mietzinsminderungsrechts des Mieters (bei vorliegenden Mängel am Objekt kann der Mieter aus dem Vertrag nicht zurücktreten.)

Eine Wertsicherungsklausel, die nur zu Gunsten des Vermieters wirkt (In der Praxis erscheint es eher denkunmöglich, dass die Wertsicherung niedriger wird. Jedenfalls darf eine derartige Vereinbarung nicht getroffen werden.)

Grob benachteiligende Kostentragungsvereinbarung (Gemeint ist: der Mieter haftet dem Vermieter für alle durch verspätete Entgeltzahlungen verursachten Kosten)

Aufrechnungen von Zahlungen des Mieters auf der ältesten aushaftenden Hauptmietzinsschuld ohne Berücksichtigung der Widmung des Mieters. (Hier hat der Kläger gemeint, dass der Mieter seine Zahlung für einen bestimmten Zeitraum widmen will, da er möglicherweise für den letzten offenen Mietzinszahlungszeitraum keine Miete zahlen wollte, weil er für diesen Monat eine Mietzinsminderung geltend gemacht hat.)

Sträflich sittenwidrige Verzugszinsenregelung (Hier wurden 60% pro Jahr!!! vereinbart)

Klausel, die auch unverhältnismäßige Eingriffe in das Mietrecht des Mieters ermöglicht hätte. (Die Formulierung war: Der Mieter hat bauliche Maßnahmen zur Erhaltung zu dulden.)

Verschuldensunabhängige Erfolgshaftung des Mieters (für Beschädigungen des Mietgegenstands oder an den Gemeinschaftsanlagen, auch durch Besucher, Gäste, Angestellte des Mieters).

Ausschluss jeglicher Haftung des Vermieters. (Gemeint sind Schäden durch Brand und Diebstahl. Im genauen Wortlaut dieser Formulierung war heraus zu lesen, dass der Vermieter straffrei bleibt, wenn er die persönliche Habe des Mieters anzündet und in Brand steckt).

Untersagung jeglicher baulicher Veränderung durch den Mieter. (Nur durch Zustimmung des Vermieters. In der Praxis undurchführbar, so würde der Mieter nicht einmal einen Einbaukasten ohne Zustimmung des Vermieters montieren können.)

Intransparente Kostentragungsregelung in Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrags (Hier ist gemeint, dass dem Mieter nicht ziffernmäßig ausgewiesen wurde, welcher Betrag für die Vergebührung zu bezahlen gewesen wäre)

In der Gesamtschau der Dinge bleibt festzuhalten, dass hier ein besonders unglückliches Vertragsmuster gewählt wurde. Die vom Obersten Gerichtshof getroffenen Entscheidungen sind so gesehen durchaus nachvollziehbar.

Ich empfehle, dass Sie derzeit bezüglich Rückersatz der Kosten, welche Sie für den Austausch einer Therme aufgewendet haben, zuwarten. Ich bin auch überzeugt, dass ein Rechtsanwalt in Kenntnis der Materie Ihnen derzeit von einer Klagsführung wegen Kostenersatz nur abraten wird.

Wenn das Urteil veröffentlicht wird, lesen Sie es auf dieser Seite mit erläuternden Informationen  nach.

Ich stehe gerne für weitere Auskünfte zur Verfügung!

 

Peter Nemeth